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E

s gab Zeiten, da war

das Radio noch nicht

zur reinen Beriese-

lungsmaschine ver-

kommen. Da gab es zwischen

den Liedern noch Beiträge, bei

denen man zuhören musste,

um sie zu begreifen. Unvor-

stellbar, aber wirklich wahr:

Da wurde oft minutenlang nur

geredet und keiner schrie alle

paar Sekunden hysterisch, dass

jetzt der neueste Hit zu hören

sein wird. Da wurden nicht die

Sekunden bis zum nächsten

Wochenende heruntergezählt

und der Volksrocker Andreas

Gabalier war noch gar nicht

geboren. Ob diese Zeit besser

war, kann ich jetzt nicht sagen.

Aber Radiohören war noch in-

teressant. Meistens halt.

Ich habe mir besonders ger-

ne das „Magazin für die Frau“

angehört. Klingt jetzt vielleicht

lächerlich. Stimmt aber. Diese

Sendung hat eine Viertelstun-

de gedauert, wenn mich meine

Erinnerung nicht trügt. Und es

gab verschiedene Beiträge und

hin und wieder den Karl Plo-

berger. Der muss damals ein

junger Bursche gewesen sein

und gekannt haben den nicht

viele, aber gewusst hat der

Karl schon damals alles. Zum

Beispiel, wie lange es dauert,

bis eine Orchidee an einem

340 Grad ausgerichteten Fens-

ter mit einem Baum davor die

Blüte abwirft. Oder wieso der

Efeu im Garten des Hörers B.

immer braun wird, oder wann

man Buchenhecken schneiden

muss, oder wann Apfelbäume

veredelt werden müssen.

Einmal hat der Karl erzählt,

wie das funktioniert, dass aus

kleinen Kernen in Töpfen am

Fensterbankerl stattliche Para-

deisstauden oder üppige Pfef-

feronipflanzen werden. Das hat

mir gefallen. Und ich habe es

probiert.

Seither ist das Radio aus-

schließlich zu einer schlimmen

Berieselungsmaschine verkom-

men, den Karl Ploberger kennt

inzwischen auch jeder, weil er

aus dem Fernseher lacht, auf

jedem Pflanzenprospekt ab-

gebildet ist und in fast jeder

Gärtnerei irgendwann einmal

im Laufe des Frühlings einen

Sprechtag hält. Ja, es hat sich

viel verändert in diesen Jahren.

Was sich nicht verändert hat,

ist, dass aus kleinen, in die Erde

gedrückte Kerne große Pflan-

zen werden, auf denen vieles

wächst und gedeiht, das im

Herbst geerntet werden kann.

Für mich ist dieses Kerndl in

die Erde stecken zu einer lieb-

gewordenen Tradition gewor-

den. Ich mach das, ohne jede

Professionalität in Anspruch zu

nehmen.

Spätestens nach dem Weih-

nachtsurlaub beginnt mein

grüner, oder sollte ich eher sa-

gen, mein erdiger? Daumen zu

jucken und ich beginne in den

Kaffeefiltertüten zu wühlen, in

die ich das ganze Jahr über Ker-

ne von Früchten stecke, die ich

besonders mag. Die großen grü-

nen Pfefferoni vom Billa, den

Spitzpaprika vom Spar oder die

Paradeiser vom ADEG. Oder

die Samen von den Pfefferonis

meiner Bekannten Shana, oder

ein paar Paradeissamen aus ei-

nem Sackerl, das ich mir einmal

in Neapel gekauft habe. Weil

die Tomaten dort unten riesig

und fleischig und himmlisch im

Geschmack sind. Dass mir die

alljährlich nicht ganz reif wer-

den, stört mich nicht. Ich kenne

die Unzulänglichkeit der Natur

und meine auch.

Wer jetzt glaubt, ich bin

ein begeisterter Hobbygärt-

ner, der irrt. Im Gegenteil. Ich

sehe überhaupt keinen Sinn

darin, wochenlang Zucchinis

zu gießen, um, sobald sie reif

sind, nicht zu wissen, was ich

mit den vielen Früchten tun

soll. Die werden dann in gro-

ßer Zahl an Nachbarn und Be-

kannte verschenkt, die sie dann

meist in der gleich hohen Zahl

direkt am Komposthaufen ent-

sorgen. Wieso das nicht jedes

Hobbygärtnerherz sofort in

zwei Teile zerreißt, werde ich

nie verstehen.

Da lobe ich mir meine Pa-

radeiserstauden an der Haus-

wand. Die tragen genau so vie-

le Früchte, wie ich essen kann.

Die Pfefferoni sind so scharf,

dass nur ich sie mag und die

Paprikastauden wirft der Wind

so oft um, dass die meisten

Früchte darauf schon vor der

Reife Opfer von Zweigenbrü-

chen werden. Hobbygärtner

werden jetzt aufschreien und

mir vorwerfen, dass ich mit

viel zu wenig Ernst bei der

Sache bin. Ich halte dem ent-

gegen, dass ich wahrscheinlich

einer der letzten Menschen bin,

die noch die Demut haben, sich

dem natürlichen Kreislauf der

Natur unterzuordnen. Dazu

gehören Paradeiser, die unreif

bleiben, weil ich ihnen keine

Glashäuser in der Größe einer

Garconniere baue. Mir sind

auch auf meinem Gartenbeet

mickrige Salatpflanzerl lieber,

als vom Kunstdünger ange-

schwollene Pletschenköpfe, die

dann von irgendeinem Nachbar

ohnedies auf den Komposthau-

fen geworfen werden.

Was ich jetzt damit sagen

will? Nichts, außer vielleicht,